Die Tage vom 26. August bis zum 8. September sind für die salvatorianische Familie durch die Erinnerung den sich abzeichnenden Heimgang ihres geistlichen Vaters und Stifters, Franziskus Maria vom Kreuze Jordan geprägt. Dankbar für das Geschenk unserer geistlichen Berufung schauen wir auf das Leben und insbesondere auf das Sterben jenes Mannes, der innerhalb unserer geistlichen Gemeinschaften oft der „ehrwürdige Vater“ genannt wird. Nicht wenige von uns haben an dem wiederkehrenden Datum seines Sterbetages, dem 08.09.1918, ihre Ordensgelübde und Versprechen abgelegt.

Zu den wertvollsten Schätzen jüdischer Lebensregeln, die von den Gemeinden der Urkirche weitergeführt werden und heute ganz selbstverständlich die Eckpunkte unserer Kultur bilden, zählt der ehrfurchtsvolle Umgang mit kranken und hilfsbedürftigen Personen und darüber hinaus die Zuwendung zu den Sterbenden und die Ehrfurcht vor den Verstorbenen. Es ist dies eine Grundhaltung, die dem Schutz des Lebens dient und die Würde des Lebens unterstreicht.

Das Buch Tobit beschreibt die praktische Frömmigkeit und Gesetzestreue des namensgebenden Tobit, wenn es betont, dass dieser sich gerade in der Verbannung fern der Heimat den Bedürftigen des Volkes zuwendet und trotz des königlichen Verbots wiederholt die verstorbenen und ermordeten Glaubensgenossen beerdigt, obwohl ihn dies ihn Gefahr bringt.

Aber es ist mehr als nur die lästige Erfüllung einer auferlegten Pflicht. Wenn wir genau hinschauen, erkennen wir im Umgang mit den Sterbenden und Verstorbenen den Ausdruck innigster Verbundenheit und Dankbarkeit für das, was zu Orientierungspunkten unseres eigenen Lebens geworden ist.

Die Joseferzählung im letzten Drittel des Buches Genesis beschreibt dies ebenso einfühlsam wie eindringlich: Der junge Josef wird ohne das Wissen des Vaters von seinen Brüdern nach Ägypten verkauft. Jakob, dem Vater, bricht es das Herz, er glaubt, Josef, der geliebte Sohn, sei tot, ihm für immer genommen.

Doch in den Wirrnissen dieses Geschehens zeigt sich die Güte Gottes, der die Familie nur getrennt hat, um sie nach gefühlt endlosen Jahren umso tiefer zusammenzuführen. Der Herzenswunsch des Vaters geht in Erfüllung. Jakob findet nicht nur den verloren geglaubten Sohn wohlbehalten zurück, er kann sogar – bevor er stirbt und der geliebte Josef ihm die Augen schließt – dessen Söhne, Efraim und Manasse, segnen.

Ja, der väterliche Segen wird zum Ausgangspunkt dessen, was die nachfolgenden Generationen beginnen oder unterlassen, erstreben oder verwerfen. Das Neue und das Andere wird zur Erfüllung und Vollendung des Alten und des Vorherigen. Hierin zeigt sich die Kontinuität der Identität familiärer Werte und Tugenden.

Jakob, der Vater, segnet hoffnungsvoll und zuversichtlich Söhne und Enkel, Josef der Sohn, schließt in dankbarer Liebe dem verstorbenen Vater die Augen. Beide Gesten greifen ineinander. Das, wofür der Vater gelebt hat, lebt weiter in den folgenden Generationen.

Spätestens ab Mai 1918 ist die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ehrwürdigen Vaters nicht mehr zu übersehen. Er verliert zeitweise das Bewusstsein. Herzattacken und ein Schlaganfall machen es nötig, dass er betreut wird. Am 26. August 1918 bringen die Mitbrüder ihn in das von Vinzentinerinnen geführte Armenhaus nach Tafers, was ihn freudig sagen lässt: „Jetzt bin ich bei den Armen.“ Dankbar nimmt er die Pflege der Schwestern an.

Am Dienstag, dem 3. September 1918 Pater Franziskus spricht Satz: „Andere werden kommen und unserer Leiden eingedenk sein und weiterarbeiten.“

Wir sind diese anderen. Wir sind die von ihm gesegneten Söhne und Töchter. Pater Franziskus war nüchterner Realist, deshalb konnte er so, wie er es getan hat, auf die ihm gestalten Anforderungen reagieren. Wenn wir heute in seinem Geiste handeln und das von ihm begonnene Werk fortsetzen, wird sich seine prophetische Vision erfüllen: „Andere werden kommen und unserer Leiden eingedenk sein und weiterarbeiten.“

In diesem mehrfach bezeugten Ausspruch unsere ehrwürdigen Vaters spüre ich eine prophetische Vision und höre ich die Verheißung, dass Gottes Segen auf unserem Tun und Lassen liegen wird, wenn wir, der Leiden des Anfangs eingedenk, die Schwierigkeiten der Gegenwart nicht scheuen, um hier und heute gemeinsam mit den uns anvertrauten Menschen den Weg in eine erfüllte Zukunft zu suchen und konsequent zu gehen.

 

Pater Maximilian Segener SDS