„Das habe ich nicht gewusst!“

„Sie waren doch alle schon einmal bei einer Taufe. Was folgt denn unmittelbar, nachdem der Täufling mit Wasser übergossen wurde?“ Man stelle einmal diese Frage in der Sonntagspredigt vor voller Kirche. Wo auch immer das geschieht: Eine Atmosphäre betretenen Schweigens stellt sich ein, aber auch eine prickelnde Aufmerksamkeit, über die sich jeder Lehrer freuen würde. Der Hinweis auf das Anziehen des weißen Taufkleides und das Entzünden der Taufkerze zaubert ein erleichtertes „Ach ja!“ auf die Gesichter, das aber sogleich wieder in höchste Spannung umschlägt, wenn man wissen möchte, was denn der erste dieser sogenannten „ausdeutenden Riten“ sei.

Das ist die Salbung mit Chrisam und die bringt zum Ausdruck, dass wir mit der Taufe eingegliedert werden in Christus und Anteil erhalten an seinem Priester-, König- und Prophetentum, dass wir also in der Nachfolge berufen und befähigt sind, für andere vor Gott einzutreten (priesterliches Handeln), dafür zu sorgen, dass es den Menschen in unserem Umfeld und in unserer Gesellschaft gut geht (königliches Handeln), und zu unserem Glauben zu stehen, ihn – wenn auch unaufdringlich, aber doch furchtlos – zu bekennen (prophetisches Handeln).

Erst im Zusammenwirken dieser Aspekte kommt christliche Existenz zur Fülle. Nicht uninteressant in diesem Zusammenhang: Schon in den Fünfzigerjahren hat der Dominikaner und spätere Konzilstheologe Yves Congar anhand intensiver Studien herausgearbeitet, dass die alttestamentliche Verheißung der Errichtung eines Tempels diesen nicht in erster Linie als steinernes Bauwerk begreift, sondern als zukünftige lebendige und wirkungsvolle Gemeinschaft des Volkes Gottes.

Und wenn das Zweite Vatikanum mit Nachdruck davon spricht, dass die Laien im Zusammenspiel mit dem Amt einen einzigartigen und unverzichtbaren Anteil an der Sendung der Kirche haben, wenn es vom „gemeinsamen Priestertum“ aller Gläubigen spricht, die – indem sie ihre Erfahrungen, ihr Erleben, ihre Freuden, ihre Mühen, ihr Leid in der Eucharistiefeier mit auf den Altar legen – einen Beitrag leisten für das Heil der Welt, dann führt es die Rolle und die Strahlkraft vor Augen, die wir als Getaufte haben.

Auch aus dem Mund engagierter Christen höre ich, wenn auf diese Dinge zu sprechen komme, immer wieder den Satz: „Das habe ich nicht gewusst.“ Es ist wichtig, dass wir gerade in unserer Zeit mit ihren zunehmenden Konflikten die Zuversicht nicht verlieren, sondern uns der immensen Würde, der Berufung und der Aufgabe, die wir als Getaufte haben, bewusstwerden und das in dem Maße, wie es uns möglich ist, leben. Es gibt viele Formen, das zu tun. Es gibt viele Formen, aktiv zu werden.

Pater Wolfgang Sütterlin SDS