Und ich bin immer

Beim Begriff „Hirte“ muss ich an meine Kindheit denken. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Oberschwaben, drumherum sehr viel Natur. Und immer wieder zogen dort Hirten und Hirtinnen mit ihren Schafherden umher. Ich erinnere mich noch gut an einen Tag, an dem ich mit meinem Vater an so einem Feld vorbeikam, wo die Schafe gerade weideten. Sie waren eingezäunt und weit und breit kein Hirte zu sehen. Wir vernahmen ein blökendes Schaf, das auf dem Rücken lag. Mein Vater reagierte sofort, so eilten wir gemeinsam zu dem Schaf und halfen ihm wieder auf die Beine zu kommen.

Manchmal, so habe ich erfahren, kann es dazu kommen, dass vor allem trächtige Schafe, die sich auf dem Boden wälzen, um sich zu kratzen, nicht mehr alleine aufkommen. Und wenn sie für längere Zeit auf dem Rücken liegen, kollabieren sie, und können sogar sterben.

Mein Vater war für mich ein Held und ich war sehr stolz auf ihn und auch auf unser Rettungsteam. Dieser Tag und diese Rettungstat klingt heute noch in mir nach und hat Spuren hinterlassen. Zum einen ist da die Ohnmacht und die Hilflosigkeit des Schafes, welche durch die Abwesenheit des Hirtens noch verstärkt wird. Und zum anderen die plötzliche Hilfe wie aus dem Nichts, das Erhören des Hilferufes des Schafes. Die Erfahrung, dass da jemand ist.

Die Erfahrung, dass da jemand ist, dass sich jemand um uns kümmert, dass wir nicht alleine sind, und dass wir gehört werden, ist überlebensnotwendig. Solche Erinnerungen und Erfahrungen verleihen uns Zuversicht für unser Leben. Erinnern, vergegenwärtigen,  das möchte auch Johannes mit seinem Evangelium.

Jahrzehnte waren vergangen seit dem irdischen Auftreten Jesu. Die Erinnerungen schwanden, die Zeitzeugen starben weg. Und in diese Leere, in diese Lücke, platziert Johannes die „Ich bin“-Worte Jesu. Und eines der sieben „Ich bin“-Worte ist das „Ich bin der gute Hirt“ (Joh 10,11). Das „Ich bin“ erinnert an die Zusage Gottes an Mose: „Ich bin, der ich bin.“ (Ex 3,14) Ein Gott, der da ist. Ein Gott, der für sein Volk da ist. Der für den Menschen da ist. Ein Gott, mit dem man rechnen kann und muss.

Die Hilflosigkeit des Schafes von damals kenne ich auch bei mir. Der Ruf ins vermeintliche Nichts, ins Unerhörte. Und auch die Leere oder die Lücke wenn jemand fehlt. Das Gefühl allein zu sein. Aber da gibt es auch die Erfahrung, dass da jemand ist. Dass mein Schreien gehört wird. Dass ich nicht allein bin. Da ist jemand!

Aus dem brennenden Dornbusch
flechten sie eine Krone
Deine Liebe aber
brennt nicht aus

Deine ausgebreiteten Arme
Kraftfeld zu dir hin
Dein letzter Blick
offen wie eine Wunde

Im Verschmachten noch
Ich bin für euch da.

Andreas Knapp

 

Pater Phillip Sauter SDS