Es wird hier kaum möglich sein, dieser Frage gründlich und in philosophischer Tiefe nachzugehen, aber weil wir ja im Glauben davon ausgehen, dass Gott gut ist und alles Leben geschaffen hat, folgere ich für mich, dass etwas oder jemand gut ist, wenn er oder sie dem Leben dient, es ermöglicht, es fördert, es heilt oder verteidigt; schlecht wäre es demnach, dem Leben zu schaden und es zu vernichten.
Als Christ und Salvatorianer kann ich mich im neutestamentlichen Titusbrief verankern, wie es auch der selige Franziskus Maria vom Kreuze Jordan getan hat: „Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien, hat er uns gerettet … aufgrund seines Erbarmens.“ [Tit 3, 4+5] Es ist eine besondere Schriftstelle, weil sie Gottes Handeln von seiner ‚Menschenfreundlichkeit‘ ableitet.
Menschenfreundlichkeit – diesen Schlüsselbegriff verstanden die damaligen Griechen und Juden als ‚Tugend eines vorbildlichen Herrschers‘,
– „der ein Herz für die Menschen hat, die ihm untertan sind, …
– der ihnen seine Gunst schenkt und sich ihnen voller Huld zuwendet, …
– und ihnen nicht nur Gerechtigkeit, sondern Barmherzigkeit erweist.“
Es gibt keinen Anspruch auf Menschenfreundlichkeit, es liegt allein im Ermessen des Herrschers, aber als Tugend beansprucht und fordert sie ihn heraus zu einem Entgegenkommen, einem Sich-Herablassen und einer echten Zu-Neigung. (vgl.: Söding, 415)
Der Titusbrief knüpft also an das antike Bild eines idealen Königs an, um „eine Brücke zum Grundverständnis Gottes zu bauen“, hebt aber zugleich hervor, dass allein Gottes Menschenfreundlichkeit „dem Menschen wirklich gerecht wird und ihm [eine] unverbrüchliche Freundschaft gewährt.“ Und in diesem Grundverständnis spiegelt sich die menschliche Sehnsucht nach bedingungsloser Annahme und Bejahung sowie Mitleid, Trost und Vergebung wider. (vgl.: Söding, 418-419)
Auch das alttestamentliche Buch der Weisheit spricht von ‚Gottes Menschenfreundlichkeit‘ [Weish 1,6; 7,23; 12,19], „in der die Sophia, die Personifikation der Lebensfreude und Kreativität Gottes, sich den Menschen so zuwendet, dass sie leben und ihrerseits menschenfreundlich handeln können.“ (vgl.: Söding, 416)
In diesen herbstlichen Wochen feiern wir zunächst das Fest der Erzengel (29.09.) und dann das Fest der Schutzengel (02.10.). Auch die Engel personifizieren das Handeln Gottes:
- Gabriel ist das gute Wort Gottes an die Menschen;
- Michael ist das schützende und verteidigende Handeln Gottes;
- Raphael ist das fürsorgende und heilende Handeln Gottes.
Auch wenn die Engel im Glaubensleben vieler Menschen nur noch eine geringe Rolle spielen, die Werbung weiß sie zu nutzen: Beim ADAC sind die ‚Gelben Engel‘ die Pannenhelfer und bei ‚Phildelphia‘ verheißen Engel einen himmlischen Genuss. Aber, egal ob es Engel oder Menschen sind, dahinter steckt die Herausforderung, dass Gottes Menschenfreundlichkeit immer wieder ‚personifiziert‘ wird, auch durch uns, auch in unserer Zeit.
Gut ist es, wenn Du mit und wie Gott, dem Schöpfer, ein Freund des Lebens bist.
Pater Michael Overmann SDS
Quellen:
Grundlage und Hilfe: Thomas Söding (Münster): Gottes Menschenfreundlichkeit.
Eine exegetische Meditation von Titus 3. Download aus dem Internet, S. 410-422.
Foto: Roberto Passini, Michaelerkirche Wien
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