Jahr für Jahr – besonders jetzt im ‚Heiligen Jahr 2025‘ – strömen Pilger und Touristen in großer Zahl nach Rom. Es ist ihnen zu wünschen, dass die Begegnung mit der Kirche in der ewigen Stadt eine spirituelle ‚Tiefen-Wirkung‘ hat. Insofern sie mit offenen Augen, offenem Herzen und offenem Sinn die architektonisch und künstlerisch so reich gestalteten Gebäude und Plätze bestaunen, dürften diese ihre Wirkung wohl nicht verfehlen.

Alle, die das Herz und Zentrum der Kirche erleben und erspüren wollen, werden vor oder nach dem Besuch der Basilika St. Peter auch einen Moment auf dem Petersplatz verweilen. Und dann passiert es: Die Architektur zieht sie in ihren Bann. Gian Lorenzo Bernini, dem genialen Multitalent, der im Auftrag von Papst Alexander VII. von 1656-1667 seine Ideen verwirklichte und die Kolonnaden schuf, bindet die Aufmerksamkeit des Betrachters. Er will, dass jede und jeder spürt, wie Mutter Kirche mit offenen Armen die Pilger der Welt annimmt und aufnimmt.

Die beiden Arme der Kolonnaden bestehen wiederum aus 284 Säulen. Erdverbunden und gut gegründet stehen sie dort, strecken sich himmelwärts und tragen die Dachkonstruktion mit 140 Heiligenstatuen. Bernini dachte dabei an die glaubenden und vertrauenden Menschen, die auf Erden leben und auf Christus ihren Glauben gründen; sie alle sind Kirche der Gegenwart und sie tragen die Kirche der Zukunft, durch die Heiligen symbolisiert.

Der Baumeister will also weiter offensichtlich und verständlich machen:

  • Die Apostel sind die Säulen der Kirche!
  • Alle Getauften sind die Säulen der Kirche!
  • Und auch du bist eine Säule der Kirche!

Diese Baukunst, so direkt und hautnah erfahren, spricht an und wirkt nach.

Wer also der Apostelfürsten Gräber in St. Peter oder St. Paul vor den Mauern besucht, wird angesprochen und darauf aufmerksam gemacht: Die Apostel waren und sind die eigentlichen Säulen der Kirche. So sei auch Du apostolisch, sei eine Säule der Kirche; sei in der Gemeinschaft derer, die dem Heiland der Welt vertrauen, tragend – mittragend.

Unwillkürlich stellt sich dem Betrachter nach diesem Moment auf dem Petersplatz die Frage: Was trage ich denn in Familie, Gesellschaft und Kirche? Welche Belastungen habe ich zu schultern und welche Verantwortungen? Ist mein Mitsorgen – mein Mittragen – manchmal bedrückend, oder – weit häufiger – auch beflügelnd, sinnvoll und zufriedenstellend?

Das Gefühl, gebraucht zu werden und einen Platz beim Aufbau von Gottes Reich in dieser Welt gefunden zu haben, erhebt uns alle und stärkt unser Selbstbewusstsein wie auch unser christliches Selbstverständnis. Entsprechend lesen wir im 1. Petrusbrief:

„Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistlichen Haus aufbauen!“ (1Petr. 2,5)

Und so sei – frei formuliert – abschließend festgehalten:

Der Geist Gottes wirkt durch alle und in allen, die aufbauen und mittragen!

 

P. Michael Overmann SDS
(Text und Foto)