Mitten im Sommer feiert die katholische Kirche das Hochfest «Maria – mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen«. Sehr schön, aber was hat das mit uns zu tun und wo finden wir Heutigen unseren Zugang zur Botschaft dieses Festes?
Ein ganz unerwarteter Zeuge kann uns auf die Sprünge helfen. Der große Psychologe und Symbolforscher C. G. Jung hat damals, als Pius XII. dieses Dogma verkündet hat, eine geniale Antwort der Kirche genannt – nämlich auf die Menschenverachtung und Entwertung menschlichen Lebens im letzten Weltkrieg; eine Antwort auf den Zynismus, mit dem menschliches Leben fabrikmäßig vernichtet oder in angeblich wissenschaftlichen Experimenten gequält wurde. Außerdem sah er darin eine Antwort auf den Ekel am Dasein, der sich damals in der herrschenden geistigen Richtung des Existentialismus ausgebreitet hat.
«Maria – mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen« – Jung sah in diesem Marienfest und -dogma eine große Zustimmung zum Leben auf dieser Erde, zum Leib, der eine Himmelfahrt vor sich hat und nicht auf dem Müll der Geschichte landet. Der Protestant Jung hat schon damals den Sinn dieses Festes tiefer erfasst als vielleicht die meisten Katholiken.
»Caro cardo salutis« ist ein berühmter Satz bei den Kirchenvätern. Man kann’s auch ins Deutsche übersetzen, aber das Wortspiel geht dabei verloren. »Caro cardo salutis«: »Das Fleisch ist der Angelpunkt des Heiles«. Der Leib ist das Scharnier für das Heil.
Der Bezug ist aber heute nicht weniger aktuell: wo Menschen nur noch „Arbeitskräfte“ sind und Belegschaft »abgebaut« wird (als wären Menschen abbaubar wie eine Kohlenhalde); wo menschliches Leben im Mutterleib oder in der Gebrechlichkeit des Alters nichts mehr gilt – oder wo Kinder im Weg sind: da haben wir ein anderes Bild vom Menschen hochzuhalten und dafür einzustehen – sagt uns dieses Fest.
„Caro cardo salutis“, das Fleisch ist der Angelpunkt des Heiles! Der Leib ist Schlüssel zum Heil. Diesen dogmatischen Kernsatz kann man gar nicht ernst genug nehmen. Er sagt ja auch: Ohne Leib kein Heil. Im Leib erfährt der Mensch die Zuwendung Gottes in der konkreten Geschichte seines Lebens. Wenn Gott in seiner Treue über den Tod hinaus seine Geschöpfe zu neuem Leben ruft, dann will er ja gerade deren Identität, deren Geschichte bewahren – und das vollzieht sich in der Bewahrung des Leibes. Nur im Leib kommt der Mensch in der Welt vor. Es mag verrückt sein, aber genau das feiern wir. Da soll noch einmal einer sagen, die Kirche sei leibfeindlich!
Fotos und Text: P. Heinrich Mühlbauer SDS