Die Tage werden kürzer, der Kalender wird dünner. Wir sind im November angekommen. Ein Monat, der besonders in der Liturgie von endzeitlichen Lesungen und Stimmungen geprägt ist.
Schauen wir in den christlichen und weltlichen Jahreskalender, begegnen uns Gedenk- und Feiertage wie Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag und der Totensonntag. All diese Tage erinnern uns an unser zeitlich begrenztes Leben.
Vor vielen Jahren durfte ich in einem Chor in Mönchengladbach das Oratorienwerk „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms mitsingen. Ein musikalischer und zugleich theologischer Hochgenuss.
Brahms hat in seinem Werk, einer Totenfeier, Kernsprüche aus dem Alten- wie Neuen Testament in der Übersetzung von Martin Luther so zusammengestellt, dass die Leitgedanken „Trauer“ und „Trost“ aufeinander bezogen werden und sich abwechseln. (in Anlehnung an die Einführung in das Werk, Carus-Verlag)
Brahm vertonte dabei das Requiem zwischen sich schwermütig anfühlender und heller, hoffnungsvoller Musik.
Dieses musikalische Werk ist mir in vielen Lebenslagen zu einem wichtigen Begleiter geworden. Es lohnt sich, dieses Werk einmal in einer ruhigen Stunde anzuhören und innerlich mitzuerleben.
Leben und Tod liegen so nah beieinander wie Lachen und Weinen. Als Christinnen und Christen dürfen wir in der Hoffnung leben, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Der letzte Atemzug beendet zwar das irdische Leben. Zugleich dürfen wir darauf vertrauen, dass die Seele sich einem anderen Leben zuwenden und im Himmel eine bereitete Wohnung (vgl. Joh 14,2) vorfinden darf. Im Pflegewohnheim, in dem ich arbeite, darf ich unter anderem Menschen in der letzten Lebensphase begleiten. Manchmal bis zu ihrem letzten Atemzug. Dies ist jedes Mal für mich eine besondere Atmosphäre und Herausforderung, ein Gefühl, das sich nicht beschreiben lässt. Den Menschen an der Hand zu halten und ihn so in ein neues Leben, jenseits dieser irdischen Welt, hinein begleiten zu dürfen, erfüllt mich jedes Mal mit Dankbarkeit. Zugleich ist da aber auch eine Trauer, da wir uns mehr oder weniger lange im Pflegewohnheim begegnet sind, gemeinsam gelacht, gesungen, gebetet und oftmals über das Älterwerden und seine Gebrechlichkeiten gesprochen haben. Manchmal fragen mich Menschen dort auch, ob ich an ein Weiterleben nach dem Tod glaube. Dies kann nur ich bejahen, sodass sich daraus oft gute und tiefergehende Gespräche ergeben.
Diesen Impuls abschließend, möchte ich noch einmal auf Johannes Brahms und sein „Deutsches Requiem“ zurückkommen. Brahms setzte hier den Höhepunkt in Form eines großen Lobpreises, mit gewaltigem Orchester- und Choreinsatz und den Worten: „Herr du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft, denn du hast alle Dinge erschaffen und durch deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen.“ (Schlussfuge, Teil VI, „Denn wir haben hie keine bleibende Statt“)
Leben und Tod – es lohnt sich, diesen Lebenswirklichkeiten einmal in seiner ganzen Bandbreite nachzuspüren. Weshalb nicht gerade im Monat November… .
Haben Sie den Mut und die Muße dazu. Es lohnt sich.
Petra Miller
Foto: Familie Miller