Exerzitien mit Prof. Rigger im Salvatorkolleg Lochau-Hörbranz
Ein Bericht von Pater Wolfgang Sütterlin SDS
„Freut euch und jubelt“ war der Titel der Salvatorianischen Exerzitien, die Prof. Dr. Hansjörg Rigger vom 07.07. bis 12.07.2019 im Salvatorkolleg Lochau-Hörbranz hielt. Nur eine kleine Gruppe von 14 Personen hatte sich eingefunden – durchaus Spiegelbild eines in Europa verdunstenden und an den Rand gedrängten Christentums. Es sollten herausfordernde Tage werden. „Freut euch und jubelt“ steht bei Matthäus am Ende der Seligpreisungen und wendet sich an Christen in Bedrängnis. Unmissverständlich hebt Papst Franziskus das im ersten Satz seines im Jahre 2018 veröffentlichten Apostolischen Schreibens „Gaudete et Exsultate“ hervor: „Freut euch und jubelt (Mt 5,12), sagt Jesus denen, die um seinetwillen verfolgt und gedemütigt werden“ (1).
Parallelen werden sichtbar: Papst Franziskus und Pater Franziskus Jordan
Mit diesem Schreiben, das zu einem Leben der „Heiligkeit in der Welt von heute“ ermutigen möchte, wollte Prof. Rigger uns in Berührung bringen und dabei aufzeigen, wie sehr die Worte des Papstes sich mit einem zentralen Anliegen Pater Jordans decken. Das wurde von Anfang an deutlich. Beide warnen vor der Mittelmäßigkeit, vor einem Abgleiten in Gewohnheit oder gar Resignation. Beide laden dazu ein, sich in der Stille dem Herrn auszusetzen, damit Er uns anrühre und aufwecke. Beide rufen auf zu einem Leben in Heiligkeit. Das Wort hat heute für viele keinen guten Klang. Man verbindet damit Verzicht und Überforderung. Doch waren die großen Heiligen – so Prof. Rigger – keine Giganten, sondern Menschen, die sich an ihren Schwachpunkten von Gott abholen ließen. Was sie auszeichnete, war ein Gespür für ihre Wirklichkeit und eine große Sehnsucht. Haben wir das auch oder bewegen wir uns allenfalls nur noch in bloßer Pflichterfüllung? „Hab keine Angst vor der Heiligkeit“, sagt der Papst. „Sie wird dir nichts an Kraft, Leben oder Freude nehmen. Ganz im Gegenteil, denn du wirst dabei zu dem Menschen werden, an den der Vater dachte, als er dich erschaffen hat, und du wirst deinem eigenen Wesen treu bleiben“ (32). „Die Heiligkeit macht dich nicht weniger menschlich, denn sie ist die Begegnung deiner Schwäche mit der Kraft der Gnade“ (34). „Wenn du die Versuchung verspürst, dich in deiner Schwäche zu verstricken, dann richte deine Augen auf den Gekreuzigten und sage: Herr, ich bin ein armseliger Mensch, aber du kannst das Wunder vollbringen, mich ein wenig besser zu machen“ (15). Dass P. Jordan aus einem solchen Bewusstsein gelebt hat, sehen wir an seinem privaten Geistlichen Tagebuch. Er tritt ungeschützt vor Gott, bringt wieder und wieder ganz ungeschminkt seine inneren Nöte vor ihn: „Du kennst meine Armseligkeit; aber alles vermag ich durch dich, der mir Kraft gibt“ (GT II/113). Im Schreiben öffnet sich sein Herz und in solchen Augenblicken vernimmt er in sich eine tröstende Stimme: „O Sohn, komm und wandle mit mir!“ (GT I/3).
Papst Franziskus spricht von einem „Lebensstil der Heiligkeit“ (112), von einem Weg der kleinen Schritte, der für alle gangbar ist. Dazu gehört neben Aufrichtigkeit und Sehnsucht das Wissen um all das Gute, das man schon erhalten hat. Auch das finden wir bei P. Jordan. Inmitten seines Ringens vergewissert er sich der Treue Gottes, indem er sich erinnert: „Bedenke, welchen Trost oder welche Freude dir dein Vorhaben schon eingeflößt hat“ (GT I/132).
Aspekte der Armut
Wahrnehmung ist ein Aspekt der Armut, von der die Seligpreisungen sprechen (Mt 5,3). Armut kann im Kontext eines Weges der Heiligkeit bedeuten, dass man sich davor hütet, inmitten des Wohlstandes alles für selbstverständlich zu nehmen. Sowohl Papst Franziskus als auch P. Jordan fordern auf, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Im Apostolischen Schreiben heißt es: „Erinnern wir uns daran, wie Jesus seine Jünger einlud, aufmerksam zu sein für die Details“ (144). Und im Geistlichen Tagebuch lesen wir: „Gewöhne dich daran, auch in den kleinsten Dingen die Güte Gottes zu erkennen“ (GT I/80).
Zur Armut gehört die Sanftmut, das Ertragen anderer, der Verzicht auf Rechtfertigung. Wer sanftmütig ist, so der Papst, setzt sein Vertrauen allein auf Gott. P. Jordan, der ein cholerisches Temperament besaß, hat darum gerungen. Anhand einer wissenschaftlichen Analyse seiner Handschrift konnte gezeigt werden, wie tief er sich im Laufe seines Lebens in diese Richtung verändert hat.
Zur Armut gehört Demut, ein heutzutage unattraktiver Begriff. Und doch, beide Autoren verwenden ihn eindringlich. Die Erfahrung annehmen, dass das eigene Tun nicht von Erfolg gekrönt ist, die Bereitschaft, über den eigenen Schatten zu springen und zu dienen, das „macht dich Jesus ähnlich“, das ist, wie Papst Franziskus betont, „unumgänglicher Teil der Nachfolge Christi“ (118).
Gottvertrauen bringt Freude und Frieden
Nach all diesen Ausführungen schlug Prof. Rigger am letzten Tag noch einmal den Bogen zum Beginn. In den Medien werden wir mit einer Fülle negativer Meldungen konfrontiert. Das führt zu einer Grundstimmung der Unzufriedenheit und Apathie. Dagegen vermittelt uns das Bewusstsein, von Gott geliebt zu sein, eine Freude und einen Frieden, die aus einer anderen Quelle kommen und die uns niemand nehmen kann. Pater Jordan weiß darum: „Verliere nie die Ruhe und den Frieden des Herzens! … gib mir dein Herz, lass mich allein herrschen in dir! Ich will dein Leben sein“ (GT I/13). „Bete oft um ein großes Gottvertrauen und um die Freude! … Lege vor allem die dem lieben Gott missfällige Ängstlichkeit ab, denn Gott ist kein Tyrann! (GT I/62). Papst Franziskus bringt auf den Punkt, worum es geht: „Wenn wir zulassen, dass der Herr uns aus unserem Korsett herausholt und unser Leben verwandelt, dann werden wir verwirklichen können, was der heilige Paulus forderte: Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! (Phil 4,4).“
Erneuerung durch authentisch gelebtes Christsein
Es ist ein Weg der kleinen Schritte und Gesten, der den Exerzitienteilnehmern gezeigt wurde, ein Weg der Heilung, der Veränderung und der Vertiefung, der von allen ernst genommen und beschritten werden kann. Hinter dem großen Wort „Heiligkeit“ verbirgt sich so gesehen nichts anderes als authentisch gelebtes Christsein. Was P. Jordan in seiner Epoche formulierte, um was er rang und was er zu vermitteln versuchte, spiegelt sich wider in den Überlegungen, die Papst Franziskus für unsere Zeit anstellt. In der Tat, der aktuellen Bedrängnis des Christentums und der inneren Not der Kirche in unseren Tagen können wir nur durch Erneuerung begegnen. Und die beruht in erster Linie auf Echtheit.
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